Von einer Genossenschaft mit Gartenstadtideen zur Gartenstadt-Kolonie Reform
Nach 1900 war Magdeburg auf dem Weg, ein Industriezentrum zu werden, was zwangsläufig das Wohnungselend und die Mietskasernen befördert. Die Suche nach alternativen Wohnformen führte zur Gründung verschiedener, insbesondere mittelständischer Bauvereine, Baugenossenschaften, die den Ausweg in Einzel-, Doppelhaus-, Villen- und Mitwohnungssiedlungen mit teilweise nationalen oder romantischen Baustilen suchten. Aber eine Gruppe von 19 Arbeitern der Krupp-Cruson-Werke begeisterten sich für die deutsche Gartenstandbewegung und gründeten im Jan.1909 die Gartenstadt-Kolonie-Reform (kurz darauf folgten der Bauverein der Crusonwerk-Beamten und die Siedlung Hopfgarten). Schnell wurden es 265 Genossenschaftsmitglieder, die ein 12 Hektar großes Gelände kaufen konnten. 1911 wurde in Eigenleistungen mit dem Bau begonnen und 1912 die ersten 4 Häuser unter Leitung des einheimischen Architekten A. Glimm am „verlorenen Grundstein“ fertiggestellt und bezogen. Rühriger Vorstand der Genossenschaft war Willy Plumbohm. Dieser konnte 1912 den schon durch Wohnsiedlungen bekannt gewordene Architekt Bruno Taut (u.a. in Berlin, mit in seinem Büro Franz Hoffmann und neu sein jüngerer Bruder Max) gewinnen konnte) für die Leitung des Baues der Siedlung gewinnen. Bruno Taut war damals u.a. beratender Architekt der „Deutschen Gartenstadtgesellschaft“. Damit bekam das Bauvorhaben neuen Schwung und die Abkehr vom wilhelmischen Bauen, hin zu einem neuen sozialen Bauen. Taut ergänzte die vier Häuser als erstes um den Marienhof (kurze Kleinhauszeilen) und in den frühen 20er Jahren mit Reihenhausgruppen im Bunten Weg und Birnenweg. Nach seinen Planungen folgten dann 1925-28 Satteldachgebäude im Nelken- und Dahlienweg sowie 1929-33 langestreckte Häuserzeilen am Lilienweg, so dass letztendlich in 5 Bauphasen 1400 Wohnungen entstanden.
Es gelang ihm durch Rück- und Vorsprünge die Häuserzeilen aufzubrechen, individuelle und behagliche Räume für die Bewohner zu schaffen. Gruppenweise wechselnde Dachformen und vor allem die mutigen kräftigen Farbfassungen, geben den jeweiligen Wohngruppen einen besonderen Charakter, Individualität und Lebendigkeit. Garten – Licht – Luft und Sonne waren Leitgedanken Bruno Tauts. Insbesondere die Farbigkeit stand im Mittelpunkt seines Bemühens und so startete er unter der Überschrift „Der Regenbogen“ in Magdeburg einen öffentlichen Aufruf zum farbigen Bauen. Auf Grund seiner tatkräftigen, avantgardistischen, kreativen Auffassungen wurde er vom damaligen Magdeburger Bürgermeister Herrmann Beims ab 1921 zum Stadtbaurat berufen und mit dem „Generalsiedlungsplan“ Magdeburgs beauftragt. Unter seiner Regie wurde Magdeburg zur „bunten Stadt“.1922 legte er den Generalsiedlungsplan vor, sah dann aber im Anschluss keine Perspektiven mehr in Magdeburg und ging ab 1924 wieder endgültig nach Berlin zurück. Von dort aus führte er weiter seine gesamten Bauaufgaben. Er wurde in Berlin nicht nur der Chefarchitekt der neugegründeten „Gemeinnützigen Heimstätten Aktiengesellschaft (GEHAG), sondern betreute auch über 10.000 Wohnungen in unterschiedlichen Reformsiedlungen als künstlerischer Leiter, wobei seine Honorare dafür sehr sozial und niedrig waren, was auch zu Streitigkeiten mit seinen Büropartnern führten. Er starb 1938 in Istanbul.
Die „Gemeinnützige Genossenschaft Gartenstadt Kolonie Reform“ fusionierte 1975 mit der „Gartenstadt Hopfgarten“ und dem „Bauverein der Crusonwerk-Beamten“ zur GWG Reform e.G.. Die Häuser im eigentliche Reform-Bereich wurde zum 100sten Geburtstag von Bruno Taut unter Denkmalschutz gestellt und 1987 das gesamte Wohngebiet unter Ensemble-Denkmalschutz.
Die zweite Bauphase wurde mit Hilfe der „deutschen Gartenstadtgesellschaft“ (Entwurf Dr. Hans Kampffmeyer) und dem schweizer Architekten Hans Bernoulli geplant.