von Christoph Bock
Walter Baetke wird am 28. März 1884 in Sternberg (Neumark; heute Polen) geboren. Er wächst in Stettin auf und studiert ab 1902 Anglistik, Pädagogik und Philosophie in Halle/Saale und Berlin. 1907 legt er das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab. 1908 promoviert er an der Universität Halle/Saale im Fach Anglistik über „Kindergestalten bei den Zeitgenossen und Nachfolgern Shakespeares“.
Von 1907 bis 1935 also fast drei Jahrzehnte steht er im Schuldienst, zunächst in Mitteldeutschland dann in Stettin und schließlich ab 1913 als Studiendirektor an der Ernst-Moritz-Arndt-Schule in Bergen/Rügen. In dieser Zeit erarbeitet er sich im Selbststudium die Grundlagen seiner wissenschaftlichen Karriere.
Er beschäftigt sich mit der niederdeutschen Sprache und immer intensiver mit der altnordischen (altisländischen) Literatur. Er übersetzt zudem zahlreiche Werke der nordischen Sagaliteratur. Nach einem ersten Lehrauftrag für Germanische Religionsgeschichte an der Universität Greifswald im Jahr 1934 folgt 1935 der Ruf an die Theologische Fakultät der Universität Leipzig. „Grund für das Interesse der Leipziger Theologen war nicht zuletzt Baetkes öffentliches Auftreten als entschiedener Gegner der nationalsozialistisch geprägten Germanenforschung und Germanenverehrung.“(1) So warnte er vor einer „Vermanschung von evangelisch-biblischer Unterweisung mit deutschen Mythen und Sagen“ und bestand auf präziser wissenschaftlicher Forschung und „gediegener Unterweisung“.(2) 1934 wird er zum ordentlichen Mitglied in die Sächsische Akademie der Wissenschaften in Leipzig gewählt, die offizielle Bestätigung erfolgt erst nach Ende der NS-Herrschaft 1945.
Während der NS-Zeit tritt Walter Baetke mit den Ergebnissen seiner Forschung in öffentlichen Vorträgen und Aufsätzen dem politisch instrumentalisierten nationalsozialistischen Germanenbild entgegen. Er möchte den Menschen Kenntnisse vermitteln, die sie befähigen der häufig religiös akzentuierten NS-Propaganda fundiertes Wissen entgegenzusetzen. Da staatliche Räume hierfür kaum bereitgestellt werden, hält er diese Vorträge oft in Kirchen. Ein Zeitzeuge erinnert sich: „Es war ergreifend miterleben zu dürfen wie Tausende von Menschen -Akademiker bis zum Arbeiter, ja bis zum soeben erst entlassenen KZ-Häftling- in den großen Stadtkirchen zusammenkamen nur um die objektive Wahrheit zu erfahren, nur um Tatsachen zu hören.“(3) Die Staatsmacht reagiert barsch. Walter Baetke bekommt dies bis hin zur Androhung von KZ-Haft zu spüren.
Nach dem Kriegsende widmet sich Walter Baetke der demokratischen Neueröffnung der Universität Leipzig und für ihn noch wichtiger dem geistigen Wiederaufbau von Gesellschaft und Universität. In seinem kirchlichen Engagement lehnt er „wiederauflebende traditionelle Tendenzen […] ab“.(Anm.1) 1945 wird er Mitglied der Sächsischen Bekenntnissynode. 1947 gehört er der ersten Sächsischen Landessynode an. 1948 nimmt er als deren Vertreter an der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam teil.
1946 verleiht ihm die Theologische Fakultät der Universität Leipzig in Anerkennung seiner wissenschaftlichen und erzieherischen Verdienste, besonders in der NS-Zeit, die Ehrendoktorwürde. Zeichen seiner internationalen Anerkennung sind Gastvorlesungen über altnordische Literatur- und Religionsgeschichte an den schwedischen Universitäten in Uppsala und Lund im Wintersemester 1949/50. Im April 1955 nimmt er als Mitglied der DDR-Delegation am 8. Internationalen Kongress für Religionsgeschichte in Rom teil, auf dem er als Nestor der altgermanischen Religionsforschung gewürdigt wird. Bis 1955 wirkt Walter Baetke in der Leipziger Philosophischen Fakultät gleichzeitig als ordentlicher Professor für Religionsgeschichte, als ordentlicher Professor für Nordische Philologie und als Direktor des Religionsgeschichtlichen Institutes.
1948-1950 amtiert er darüber hinaus als Dekan der Philosophischen Fakultät. In den Jahren 1953 und 1954 leitet er das Orientalische Institut der Leipziger Universität kommissarisch. (1) Wissenschaftlich trägt er wesentlich zu einer neuen Bewertung der Sagaliteratur bei. Der Schweizer Rezensent Arthur Häny charakterisiert die Arbeit Walter Baetkes mit den Worten: Er „hat das Ethos eines Aufklärers, der mit scharfem Intellekt und unerbittlicher Wahrheitsliebe die Dinge wieder zurechtrückt.“(4) Walter Baetke ist federführend bei der Erarbeitung des Wörterbuches zur altnordischen Prosaliteratur als Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften (dieses Werk liegt heute in der 7. Auflage vor und ist als „der Baetke“ das deutschsprachige Standardwerk unter den altnordischen Wörterbüchern).
Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1955 leitet er noch bis 1959 die Nordistik und Religionsgeschichte kommissarisch. Noch bis zu seinem 75. Lebensjahr hält er regelmäßig Vorlesungen. Am 15. Februar 1978 verstirbt Walter Baetke. Er wohnt bis zu seinem Tode in Marienbrunn, Turmweg 18.
Anmerkung
Der Baetke ist von der Uni-Greifswald als pdf-Datei ins Netz gestellt worden. Wer einmal einen Blick hineinwerfen will kann dies kostenlos unter folgender Adresse: https://emedien.ub.uni-greifswald.de/ebooks/altnord-wb/baetke_digital.pdf/