von Christoph Bock
Der Kinderkardiologe Karl Bock wurde am 5. Mai 1922 in Brandis bei Leipzig geboren. Nach dem Abitur beginnt er 1940 das Medizinstudium an der Universität Jena. Unterbrochen durch Krieg und Gefangenschaft nimmt er 1946 an der eben wiedereröffneten Universität Leipzig das Studium wieder auf und legt 1948 das Staatsexamen ab. Noch im selben Jahr promoviert er. Schon bald wendet er sich der Kinderheilkunde zu und nimmt seine Tätigkeit am Leipziger Kinderkrankenhaus (KKH) auf – mit über 500 Betten dass damals größte Kinderkrankenhaus Deutschlands. Die Bedingungen sind sehr schwierig. Der Klinikkomplex in der Oststraße weist schwere Kriegsschäden auf, lediglich 25 Betten stehen an diesem Standort noch zur Verfügung. Bereits während des Krieges wurden vier Außenstellen eingerichtet, unter anderem in Klinga, deren dezentrale Lage die medizinische Versorgung nun zusätzlich erschwert. Der Klinikleiter Prof. Dr. Catel hatte 1946, auch wegen seiner verantwortlichen Beteiligung an Hitlers Kinder-euthanasieprogramm, Leipzig verlassen. Seit 1948 ist Prof. Dr. Peiper Klinikdirektor, ein „unermüdlicher Wissenschaftler, von großer Liebe zum Kind erfüllt“ (110 Jahre Universitätskinderklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche in Leipzig, Hrsg. W. Kiess, O. Riha, E. Keller Basel 2003).
Er steht damit im klaren Kontrast zu seinem Vorgänger Catel. Medizinisch ist im Krankenhaus einerseits die alltägliche Behandlung der Patienten, z.B. bei nachkriegsbedingt sehr häufig auftretenden Infektionskrankheiten, zu bewältigen. Es werden täglich ca. 300 Patienten poliklinisch betreut. Die Kinder und Säuglingssterblichkeit ist sehr hoch. Andererseits haben die wissenschaftliche Arbeit, die medizinische Forschung und die Entwicklung neuer Verfahren für Diagnose und Therapie hohe Priorität. Das breite Aufgabenspektrum der Klinik spiegelt sich auch in der Tätigkeit von Karl Bock wider. Die spezialisierte medizinische Betreuung im Klinikum steht gleichwertig neben der ambulanten Betreuung und der Mütterberatung, in der in Zeiten des Mangels auch beraten wird, wie der Brei für das Baby gekocht werden muss, was hinein gehört und was nicht. Karl Bock widmet sich schon bald intensiv dem Gebiet der Herzkrankheiten bei Säuglingen und Kindern (Kinderkardiologie). Er gehört zu den ersten Ärzten, die sich mit diesem in den 50er Jahren neuen Gebiet der Kinderheilkunde befassen. Methodisch steht die Diagnostik von kindlichen Herzfehlern mittels EKG und Herzkatheter noch am Anfang. Der berühmte Prof. Sauerbruch hatte Dr. Forßmann, dem Erfinder und Erstanwender des Herzkatheters, noch zugerufen: „Mit solchen Kunststückchen habilitiert man sich im Zirkus und nicht in einer anständigen deutschen Klinik.“ Dass Prof. Sauerbruch hier irrte, wurde allerdings 1956 mit der Verleihung des Medizinnobelpreises an Dr. Forßmann klar. An der Leipziger Universität entsteht die kardiologische Arbeitsgruppe als Arbeitsplattform von Spezialisten insbesondere der Inneren Medizin, Chirurgie und der Kinderheilkunde, deren wissenschaftliche Ergebnisse europaweit Beachtung finden. Karl Bock bringt die Kinderheilkunde ein. Er begründet die Kinderkardiologie in Leipzig. Auch unter seiner Leitung werden regelmäßig kardiologische Tagungen mit gesamtdeutscher und internationaler Beteiligung abgehalten. Der wissenschaftliche Gedankenaustausch mit Fachkollegen aus dem Westen ist schwierig, aber möglich. Die Teilnahme von Karl Bock am medizinischen Kongress in Rom ist ein Beleg dafür. 1960 habilitiert Karl Bock über die Diagnostik von angeborenen Herzfehlern. In den 60er Jahren nehmen, auch vor dem Hintergrund der DDR-Abgrenzungspolitik, die Kontakte zu den sozialistischen Ländern zu. Karl Bock engagiert sich hier vor allem für die Zusammenarbeit mit Fachkollegen in Prag und Sofia. Eine Würdigung seines Engagements ist die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Bulgarischen Kardiologischen Gesellschaft. Die neuen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und die damit einhergehende Spezialisierung finden nun auch in der Struktur der Universitätskliniken ihren Niederschlag. Aus der Chirurgie geht 1961 die Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie hervor. Im KKH werden neue Fachabteilungen gebildet. Karl Bock wird Leiter der Kinderkardiologie und stellvertretender Klinikleiter. 1966 erfolgt die Berufung zum ordentlichen Professor der Medizin. Der interdisziplinäre Diskurs ist Karl Bock stets zentrales Anliegen. Ein Ausdruck hierfür ist die 1971 erschienene Monographie „Missbildungen des Herzens und der großen Gefäße“. Als eines der ersten deutschsprachigen Bücher zu diesem Thema stellt es die Erfahrungen der Leipziger kardiologischen Arbeitsgemeinschaft (Prof. Bock, Kinderkardiologie / Prof. Trenckmann, Kardiologie / Prof. Herbst, Herzchirurgie / Dr. Speer, Pathologie) zusammenfassend dar. – Ein schönes Beispiel für Arbeitsweise und Selbstverständnis der Autoren ist im Vorwort dokumentiert. Hier wird sowohl Herrn Prof. Holle (Pathologe) als auch den beteiligten Sekretärinnen für Ihre Mitwirkung gedankt. 1972 wird Karl Bock in Würdigung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit von der Leipziger Universität der Titel doctor scientiae medicinae verliehen. Aus der Parallelität von klinischem Betrieb, Forschung und universitärer Lehre resultiert ein gewaltiges Arbeitspensum, in dessen Mittelpunkt aber immer das individuelle Patientenschicksal und das Wohl jedes einzelnen Kindes stehen. Öffentliche Ehrung strebt Karl Bock dabei nie an. Die Distanz zur Parteipolitik der DDR ist ihm selbstverständlich. Mit 67 Jahren geht Karl Bock im Herbst 1988 in den Ruhestand. Die Universität hatte ihn um dieses zusätzliche Engagement gebeten und trotz gesundheitlicher Probleme folgte er diesem Wunsch. Im Ruhestand bleibt er den Kollegen der Universität und „seines KKH“ eng verbunden. Gleichzeitig genießt er die gewonnene Freizeit insbesondere mit seinen Enkeln in Marienbrunn, wo er seit 1951 wohnt. Reisen oder die Teilnahme an Tagungen lässt seine gesundheitliche Verfassung jedoch nicht mehr zu. Im September 2003 verschlechtert sich sein Gesundheitszustand dramatisch. Er verstirbt am 7. Januar 2004.