von Katharina Buschnakowski
Vor einem Bericht über meinen Vater muss die Erwähnung meiner Mutter, Elisabeth geb. Rostosky, stehen. Als Marienbrunnerin der „ersten Stunde“ zog sie als knapp 5-jähriges Mädchen mit ihren Eltern 1913 in das neu erbaute Haus Turmweg 8 (gemäß Original- Mietvertrag vom 27. September 1912 zwischen Gartenvorstadt Leipzig-Marienbrunn und Prof. Dr. Paul Rostosky). Während ihres Leipziger Musikstudiums (Musikerziehung Violine) lernte meine Mutter 1932 ihren späteren Mann kennen und lieben, den Kirchenmusik-Studenten aus der Umgebung von Insterburg/ Ostpreußen, Werner Buschnakowski. Meine Eltern heirateten 1936 und bewohnten das Marienbrunner Haus zunächst mit ihren 3 Kindern Andreas, Katharina und Christoph und später nur noch mit Mutters Schwester fast bis zur Jahrhundertwende.
Mein Vater war ein leidenschaftlicher Orgelspieler und Bachinterpret. Seit 1934 war die Versöhnungsgemeinde Leipzig-Gohlis bis zur Verabschiedung im Januar 1985 seine erste und einzige – und damit langjährige – Kirchendienststelle. Dadurch war er – und teilweise auch seine Familie – nicht in der Marienbrunner Kirchgemeinde verankert, was natürlich Marienbrunner Familienkontakte auch eingeschränkt hat. Viele alte Marienbrunner dürften meinen Vater kaum kennen, aber an die Klaviermusik (ziemlich ausschließlich Bach) aus dem Eckzimmer Turmweg/Dohnaweg wird sich vielleicht doch mancher erinnern können. Hier konnte Vater ungehindert – und ohne Nachbarn zu stören – üben. Und das tat er mit großer Intensität, nachdem er der Familie nach 10 Jahren Krieg und russischer Kriegsgefangenschaft seit September 1949 wieder geschenkt war. Erste musikalische Schwerpunkte bereits vor dem Krieg waren ein Buxtehude-Zyklus mit 12 Abendmusiken, zahlreiche Funkaufnahmen und insbesondere 1938/39 20 Orgelabende mit sämtlichen Orgelwerken Bachs. Im Bachjahr 1950 – nur wenige Monate nach der schweren Zeit von Krieg und Gefangenschaft – hatte sich mein Vater mit großer Willensenergie das Bachsche Orgelwerk quasi neu erarbeitet und einen wesentlichen Teil daraus in einem weithin beachteten Zyklus von 10 Konzerten zur Aufführung gebracht. Neben weiteren Orgelabenden folgten Geistliche Abendmusiken in „seiner“ Versöhnungskirche und ab 1952 Cembalokonzerte (insbesondere Goldberg-Variationen, „Klavierübungen“ Teil I und II) und Kammermusiken im Gohliser Schlösschen. Zudem war er an Konzerten des Thomanerchores beteiligt. In den 50er Jahren hat mein Vater dann lange um eine –“seine“ – adäquate Orgel gekämpft und sich dazu auch mit theoretischen Fragen von Interpretation und Orgelbau auseinandergesetzt. Nachdem ihm das erhoffte Instrument jedoch versagt blieb, verlagerte sich das künstlerische Schwergewicht immer mehr zu Cembalo und Kammermusik als neues Betätigungsfeld. Daraus entstand dann 1957 – mit führenden Mitgliedern des Gewandhausorchesters und bis 1984 mit Vater am Cembalo – die langjährige Leipziger Konzertreihe „Barocke Kammermusik“ (später „Kammermusik der Bach-Händel-Zeit“) mit jährlich bis zu 8 Konzerten, zunächst noch im Gohliser Schlösschen, später dann im größeren und zentral gelegenen Saal der Alten Handelsbörse. In Ausübung seiner verschiedenen Lehrtätigkeiten – beginnend bereits 1952 – (Musikhochschule Leipzig/Kirchenmusik, Universität Leipzig/Schulmusik, Kirchenmusikschule Dresden, Konservatorium Halle) hat sich mein Vater außerdem intensiv mit Unterrichtsmethodik befasst, leider ohne verwertbare Aufzeichnungen dazu zu hinterlassen. Gerne verwies er auf seinen Sohn und Schüler Andreas Buschnakowski. Mein Vater konnte bis ins hohe Alter am Instrument sitzen. Nach einem Schlaganfall pflegte ihn meine Mutter gemeinsam mit ihrer Schwester im Marienbrunner Haus bis zu seinem Tod am 13.November 1995. Die Grabstelle auf dem Connewitzer Friedhof haben sich meine Eltern noch gemeinsam ausgewählt. Ich bin ungemein dankbar für die Prägung durch dieses Elternhaus. Wenn Musik auch nicht zu meinem Beruf wurde, so hat sie mich doch durch mein Leben geleitet. „Lebensbekenntnis“ meines Vaters aus einem Interview, veröffentlicht am 13.Mai 1985 „… Jenen Lebensquellen und Wachstumsgesetzen Bachscher Musik nachzuspüren, die innige Verflechtung der in ihr waltenden seelischen Aussageinhalte mit den Formkräften absoluter musikalischer Gedanken klangschöpferisch zu gestalten und als Ganzheit Erlebnis werden zu lassen, die Werke Bachs sowohl logisch als auch ausdrucksintensiv zu interpretieren ist das besondere Anliegen meines Einsatzes für das Werk Bachs. …“